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Über die Geborgenheit

Essay zu den jünsten Arbeiten von Sigrid Vogt-Ladner
von Prof. Dr. Helge Bathelt, M.A.

Die Suche nach dem Elementaren ist ein bewegendes Motiv für die Kunst im 20. Jahrhundert. Je komplexer sich das Leben darstellt, umso mehr versuchte die Kunst an Einfachheit, Eindeutigkeit und Klarheit zu gewinnen.

Die verworrene Welt überbordender Bildbotschaften verlangt dringend nach dem Korrektiv der Reduktion. Die Kunst bietet ein solches Korrektiv in ihren weltabstinenten, selbstreferentiellen Betrachtungen, in ihren konzentrativ-meditativen Beiträgen, in übersteigernden Ironisierungen und in Bildern, die einem Bedürfnis nach einer wohlgeordneten elementaren Umfriedung der Seele entsprechen.


Sigrid Vogt-Ladner
Steine der Namib, 1999

Sigrid Vogt-Ladner ist ein sehr offener und begeisterungsfähiger Mensch. Ihr wacher Intellekt zusammen mit ihrer Herzlichkeit und Natürlichkeit öffnen ihrem Bewußtsein rasch Zugänge zu einer zunächst fremden Welt, die sie nach ihrer Eigenart untersucht. Es gelingt ihr durch ihre teilnehmende Beobachtung und durch intuitives Erfassen zum Entscheidenden vorzudringen. Dieses Entscheidende ihrer beiden letzten großen Bildzyklen – »Afrika« und »Kosmos« – findet sie in den Farben, in einfachsten Zeichen und Symbolfiguren, im Mythos »Afrika«, dessen Geheimnis sie gleichwohl andeutungsvoll bildlich zu fassen versteht. Schwere blutrote und schwarzbraune Erdtöne überziehen einen pergamentigen, reich strukturierten Untergrund. Nicht selten wird Sand in die Farbe eingemischt, um ihr eine haptische Qualität zu verleihen.

Die Einfachheit, die die Arbeiten der Serie »Afrika« haben, vermittelt jene besondere Geborgenheit in der Schöpfung, die besonders dann gegeben scheint, wenn eine Nähe von Weltbeschaffenheit und Weltsicht besteht, einem einfachen Erfassen eine einfache Philosophie entspricht.

Bei »Kosmos« wird diese Stimmung des Elementaren aus ihrer Verortung im gesellschaftlich Naiven und Ursprünglichen herausgenommen und zu einem Prinzip gesteigert. Diese Bildwelten tragen auch Spuren eines Überganges, die von der Welt vertrauter Symbole auf eine andere weisen und ihr doch verbunden sind wie Zeit und Ewigkeit, als das Bleibende, als das sich Verändernde, als das Wiederkehrende.

Arbeiten dieser Art entziehen sich allem oberflächlichen Suchen nach Modernität oder gar stilistischer Zuordnung. Sie leben und sind tiefe Empfindung und Erkenntnis. Sie sind weit weniger Form als vielmehr Inhalt, Substanz, Weisheit. Sie binden den Betrachter an sich, als hätte das, was auf ihnen zu sehen ist, eine hypnotische Wirkung. Um sie zu empfinden, müssen wir leise werden, uns Zeit lassen und in ihre Geborgenheit eintreten.

Copyright © by Helge Bathelt 2000

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